SPD und Traunsteiner Liste diskutierten mit Bürgern über Anregungen des ÖPNV-Modells aus Pfaffenhofen
Können innovative ÖPNV-Konzepte wie in der Stadt Pfaffenhofen an der Ilm Vorbild sein, um auch die Große Kreisstadt Traunstein vom Autoverkehr zu entlasten? Im Rahmen einer Veranstaltung der Traunsteiner Liste und der SPD mit Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker diskutierten mehr als 100 Zuhörer im Brauereigasthof Schnitzlbaumer in Traunstein rege über diese Frage.
„Wenn wir unsere Innenstädte vom Abgasdruck befreien wollen, müssen wir die Autofahrer stärker zum Umstieg auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bewegen“, stellte Dr. Ralph Joerger, Vorsitzender der Traunsteiner Liste, bei seiner Begrüßung fest. Aufgrund ihrer vergleichbaren Verkehrsanbindung und der Lage zwischen Metropolregionen hätten sich beide Städte gut zum Vergleich angeboten. Oberbürgermeister Christian Kegel verwies auf die vorbildliche Verkehrswende in Pfaffenhofen. Diese sei nur mit bezahlbaren Alternativen zu schaffen. Als Erfolg wertete er den 2014 eingeführten Rufbus in Traunstein, der nach anfänglicher Skepsis inzwischen von mehr als 1.000 Bürgern im Monat genutzt wird. Die angestrebte Vergünstigung des Tarifs von 1,70 auf ein Euro sei „leider nicht durchzusetzen“ gewesen.
Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker stellte in seinem Vortrag heraus, dass die Stadtbusoffensive Teil einer umfassenden Pfaffenhofener Nachhaltigkeitsstrategie sei. Diese stütze sich auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Das neue Stadtbuskonzept sei 2012 mit acht Stadtbuslinien, einer festen Kleinbuslinie und einem bedarsforientierten Ortsteil-Rufbus eingeführt worden. Die jährliche Fahrleistung machte 260.000 Kilometer aus. 2014 seien dafür sechs neue Stadtbusse mit Euro-VI-Norm eingesetzt worden. Der Tarif für eine Einzelfahrt des Stadtbusses lag bei 1,30 Euro und 0,65 Euro für ermäßigte Fahrten. Für den Ortsteil-Rufbus seien je nach Tarifzone zwischen 2,50 und 3,80 Euro zu bezahlen gewesen.
Aufgrund des stark angestiegenen Verkehrs in der zwischen München und Ingolstadt liegenden Stadt mit 26.000 Einwohnern und der kleinen Landesgartenschau im Sommer 2017 mit mehr als 340.000 Besuchern testete Pfaffenhofen ein weiterentwickeltes Buskonzept. Dieses zeichnete sich durch reduzierte Tarife für die Ortsteilbusse und einen Gratistarif für den Stadtbus aus, dessen Durchsetzung anfänglich auf kommunalrechtliche Hürden gestoßen war, wie Herker erläuterte.
Aufgrund des guten Erfolgs wurde das Konzept bis zu einer neu geplanten Umstellung im Jahr 2022 verlängert. Dem durch weitere Optimierungsmaßnahmen von 600.000 auf 1,1 Millionen Euro angewachsenen Jahresdefizit stehe eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen von 10.000 auf 22.650 Busnutzer gegenüber, wie eine zweiwöchige Zählung im Februar 2019 ergab. Ebenso stieg die Jahresfahrleistung auf 360.000 Kilometer. Dank reicher Gewerbesteuereinnahmen könne die Stadt dieses Defizit stemmen, sagte Herker nicht ohne Stolz.
In der Diskussion wollte Dagmar Haid vom ADFC Traunstein wissen, ob das Millionendefizit auf Dauer für Pfaffenhofen zu stemmen sei. Herker gab sich mit Verweis auf ein gut gefülltes Rücklagenkonto der Stadt zuversichtlich. Zur Frage nach einem Rückgang der Autofahrer durch das neue Buskonzept erklärte der Bürgermeister, die Erhebung der Zahlen sei sehr kostenaufwändig. Dazu käme eine mögliche Verfälschung des Eindrucks durch aktuell große Baumaßnahmen.
Roland Amstetter aus Grassau brachte die Frage nach einer Verkehrsabgabe zur Finanzierung ins Spiel. Herker zeigte sich hier aus rechtlichen Gründen skeptisch. Sebastian Metzler vom Traunsteiner Jugendparlament zweifelte an der Aussagekraft der Nutzerzahlen: „Wir haben bei einer Anfrage hier keine Auskunft der Busunternehmen erhalten.“ Der Bürgermeister entgegnete, die vom Busunternehmen ermittelten Zahlen seien durch eigene ergänzende Zählungen bestätigt worden.
„Wie voll sind die Busse?“, wollte Ewald Kleyboldt wissen. Herker dazu: „Die Stadtbusse nutzen zu 80 Prozent Pendler am frühen Morgen und späten Nachmittag.“ Obwohl eine Linie selten überfüllt sei, gebe es „noch Luft nach oben“. Zur Frage „Wie weit fährt der Rufbus?“ von Sepp Hinterschneider antwortetet Herker, dass die weiteste Linie bis zu elf Kilometer einfach unterwegs sei. Der mögliche Ausbau des Haltestellennetzes interessierte einen weiteren Zuhörer. Der Bürgermeister sagte dazu, dass der Ausbau mit maximal 500 Meter Entfernung zur nächsten Stadtbus-Haltestelle ausreichend sei.
Nach den Konsequenzen des Pfaffenhofener ÖPNV-Modell für Traunstein fragte Sebastian Metzler. Oberbürgermeister Christian Kegel sagte dazu, eine Abqualifizierung des Einheitstarifs in Traunstein auf ein Euro pro Fahrt sei vom Stadtrat abgelehnt worden. Aufgrund geringerer Mittel seien für Traunstein als Dienstleistungsstadt vor allem „kleine Schritte“ denkbar: neue Taktung, eine zweite und dritte Linie und ein Einheitstarif. Wolfgang Schrag sprach sich vor allem für eine bessere Taktabstimmung mit den ÖPNV-Angeboten des Landkreises aus.
- Wir danke Axel Effner für die Bereitstellung des Textes und der Fotos.
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